Der Umgang mit Gedanken in der Atemarbeit

Gedanken sind kreativ. Das bedeutet, dass Gedanken unsere Realität erschaffen. Im Buddhismus werden Gedanken als Sinn betrachtet. So wie Hören, Sehen, Tasten, Fühlen, Gleichgewichtssinn und Riechen. An sich hat ein Gedanke keine Kraft (er bedeutet nichts). Nur wenn ich mit meiner Energie an einem Gedanken anhafte bekommt er Kraft (Bedeutung), bzw. wenn ich ihm Aufmerksamkeit gebe. Meine Überzeugungen über mich und die Welt haben viel damit zu tun, wie ich mich und die Welt wahrnehme. Das hat nichts mit Wahrheit zu tun, sondern mit dem, was ich für wahr nehme. Anders ausgedrückt spiegelt die Welt meine inneren Überzeugungen. Das was ich fest glaube.

Deshalb habe ich im Kapitel über Gefühle darauf geachtet Gedanken und Gefühle auseinander zu halten. Gedanken und Überzeugungen kann man nämlich loslassen und auch (mehr oder weniger leicht) ändern. Als wir klein waren haben wir die Überzeugungen unserer Eltern und Lehrer zum großen Teil mit übernommen. Schon bei der Geburt und sogar auch noch früher (bei der Empfängnis) lernen wir von anderen Menschen wer wir sind und was wir sind.

Auf Grund unserer Erfahrungen die wir machen, ziehen wir Rückschlüsse auf uns selbst. Nachdem meine Mutter mich empfangen hat, war da eine Phase in der sie die Schwangerschaft geheim gehalten hat. Sie hatte große Angst, dass ihre Mutter davon erfährt. Meine Eltern waren gerade dabei ein Geschäft neu aufzubauen und ein Baby wäre zu diesem Zeitpunkt aus Sicht meiner Großmutter sehr ungünstig gewesen. Gedanken aus dieser Zeit, die ich lange für wahr gehalten habe sind: Es ist besser, wenn ich unsichtbar bin. Ich bin sicher, wenn ich mich verstecke. Es ist besser, wenn ich nicht da bin.

Diese Gedanken haben in der obigen Situation ja einen gewissen Sinn. Nur, wenn in mir ein Teil ist, der diese Gedanken immer noch für wahr hält, und ich damit identifiziert bin (das bedeutet, dass ich diesen Teil nicht bewusst bemerke, aber er trotzdem in mir ist), dann würden sich diese Gedanken z.B. auf meine äußere Selbstständigkeit negativ auswirken. Denn ein Teil versucht ein Geschäft aufzubauen und ein anderer Teil gleichzeitig unsichtbar zu bleiben. Das klingt nachBoykott.

Ein anderes Beispiel. Babys sind sehr empfindsam. Sie können Gedanken z.B. des Geburtshelfers, oder der Mutter wahrnehmen. (Wenn ich wahrnehmen schreibe meine ich immer auch „für wahr nehmen“). Ein Baby kann noch nicht klar unterscheiden zwischen sich und dem anderen. So kann es sein, dass das Baby oder später der Erwachsene Gedanken in sich trägt, die ursprünglich gar nicht die eigenen waren, die aber trotzdem in die tiefen Überzeugungen eingegangen sind. (Überzeugung ist auch so ein Wort. Da sind so viele Zeugen, die sagen wie es war, dass ich am Ende „über-zeugt“ bin, bzw. dann eine Überzeugung habe.) Diese Gedanken aus der frühen Zeit werden meistens nicht bewusst wahrgenommen und deshalb auch nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft.

Ein Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung ist der Gedanke: Ich bin nicht erwünscht.
Das war ein Gedanke meiner Mutter, den ich einfach übernommen habe. Interessant war dann, als der Gedanke in einer Atemsitzung auftauchte und ich bemerkte, dass es gar nicht meiner war konnte ich ihn leicht loslassen. Eine schnelle Erleichterung. Aus dieser Erfahrung heraus konnte ich einiges lernen. Eine einfache Möglichkeit sich von Gedanken zu lösen ist den Besitzanspruch aufzugeben. Wieso eigentlich mein Gedanke. Einfach nur Gedanke. Jeder Gedanke ist schon mal gedacht worden. Wenn es sowieso nicht mein Gedanke ist, kann ich ihn auch loslassen. Na, das war ja einfach. Und schon bin ich nicht mehr in dem Maße identifiziert. Ich bin mehr im Beobachter.

„Ah, ein Gedanke. Interessant.“

Gedanken über Gedanken

Gedanken verändern sich ständig, kommen und gehen wie sie wollen und ein großes Problem mit Gedanken ist, dass wir sie für wahr halten. Denken ist ein kreativer Prozess, der ständig abläuft und wesentlich dazu beiträgt, was wir sehen, erleben, wahrnehmen.
So besteht das ICH an sich aus einer Mischung von Gedanken und Gefühlen mit denen wir identifiziert sind. Dieses ICH ist genau so wahr wie jeder Gedanke, den wir für wahr halten. Unter oder hinter den Gedanken und Gefühlen liegt das SELBST. Dahin führt uns die Achtsamkeit auf den Atem. Der Atem führt uns durch alle Gedanken, Gefühle und Empfindungen zur dahinterliegenden Wahrheit. Diese Wahrheit sind wir selbst.
Und das Schöne ist, obwohl diese Wahrheit immer da ist, können wir sie nicht besitzen. Sie besitzt nämlich uns. Wir sind Wahrheit.

Die Atemarbeit ist ein wichtiger Schritt aus der Identifikation mit Gedanken und Gefühlen zum Erleben was dahinter steckt. Das Erleben ist hier sehr wichtig, weil das Selbst nur verstanden werden kann, wenn es erlebt wird.

Verstanden bedeutet in dem Sinne erst einmal erkennen, dass es da ist und dann mit jedem „Besuch“ das wachsende Vertrauen in diese Kraft, die das SELBST ist. Das führt dann dazu, dass der Geist mehr und mehr im Selbst verankert wird und dann auch vom Selbst mit getragen wird, bzw. der Geist mehr aus dem Selbst schöpft. Der Geist verlässt sich nicht mehr auf Gedanken und Gefühle, die er für das Ich hält und verteidigen muss, sondern er ist frei im Loslassen und findet sich Selbst. Wenn der Geist aus dem Selbst schöpft, kann man mit Fug und Recht sagen, dass er aus dem Vollen schöpft. Jetzt kann er sein gesamtes Potential entfalten und er baut nicht mehr auf sandigem Boden.